Außergewöhnliche Belastungen - ein Überblick
Krankheit - Pflege - Scheidung - Prozess - was ist zumutbar
Gedanken am 15.02.2020 vom Counselor Ralph J. Schnaars, Steuerberater
Inhalt
1 Überblick
2 Allgemeine außergewöhnliche Belastungen
2.1 Begriffsdefinition
2.2 Zumutbare Belastung
2.3 Krankheitskosten
2.4 Pflegekosten
2.5 Scheidungskosten
2.6 Zivilprozesskosten
2.7 Sanierungskosten
2.8 Sonstige Kosten
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1 Überblick
Private Kosten dürfen im Regelfall nicht in die Einkommensteuererklärung eingehen, da sie keinen Bezug zu einer Einkunftsart aufweisen wie beispielsweise Werbungskosten eines Arbeitnehmers (siehe auch unseren Beitrag "Allgemeiner Grundsatz im Steuerrecht".
Mit den Regelungen zu außergewöhnlichen Belastungen macht das deutsche Einkommensteuergesetz (EStG) allerdings eine Ausnahme. Danach dürfen auch bestimmte private Kosten, die zwangsläufig entstehen und außergewöhnlich sind, in der Einkommensteuererklärung angesetzt werden (z.B. Krankheitskosten, Pflegekosten oder Beerdigungskosten).
Im Folgenden zeigen wir, welche Kosten Sie als außergewöhnliche Belastungen abziehen können.
2 Allgemeine außergewöhnliche Belastungen
2.1 Begriffsdefinition
Wer im Leben einmal eine besonders schwere Last tragen muss, wird vom Fiskus steuerlich begünstigt. Er darf sein zu versteuerndes Einkommen um einen Teil der Kosten mindern.
Aus § 33 Abs. 1 EStG geht hervor, dass außergewöhnliche Belastungen solche Aufwendungen sind, die dem Steuerpflichtigen zwangsläufig entstehen und die außergewöhnlich sind. Klassischerweise fallen Krankheitskosten hierunter.
Dabei ist Folgendes zu beachten.
• Außergewöhnlich sind nur solche Kosten, die größer sind, als sie der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands entstehen.
Positiv formuliert: Die Kosten dürfen nur einer kleinen Minderheit erwachsen. Sofern sie größere Personengruppen treffen – wie beispielsweise Kosten der Eheschließung –, sind sie als übliche Kosten einzustufen, die durch den Grundfreibetrag abgedeckt sind und steuerlich somit nicht abgezogen werden dürfen.
• Zwangsläufig sind Kosten, denen sich der Steuerpflichtige aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann. Er muss also unausweichlich mit diesen Kosten konfrontiert sein. Wer sich bewusst in eine bestimmte Situation begibt, etwa indem er einen für ihn nachteiligen Kaufvertrag abschließt, und später die Konsequenzen daraus tragen muss, kann seine Kosten deshalb nicht als außergewöhnliche Belastungen abziehen.
Hinweis
Bei Krankheitskosten ist das Erfordernis der Zwangsläufigkeit unproblematisch, denn diese gelten selbst dann noch als zwangsläufig entstanden, wenn der Steuerpflichtige seine Krankheit selbst verschuldet hat (z.B. durch Rauchen, Alkoholkonsum oder Extremsport).
• Eine weitere Voraussetzung für den Abzug von außergewöhnlichen Belastungen ist, dass die Kosten notwendig und angemessen sind.
2.2 Zumutbare Belastung
Erkennt das Finanzamt allgemeine außergewöhnliche Belastungen an, wirkt sich leider nicht der komplette Betrag steuermindernd aus. Denn als Steuerpflichtiger müssen Sie einen Eigenanteil, die sogenannte zumutbare Belastung, selbst tragen.
Verheiratete Steuerpflichtige und Steuerpflichtige mit Kindern werden dabei günstiger gestellt als Unverheiratete und Kinderlose.
Die zumutbare Belastung wird nach drei im Gesetz vorgegebenen Grenzen berechnet und nach einem festgelegten Prozentsatz abhängig von Familienstand und Kinderzahl bemessen.
Welches Raster sich daraus ergibt, zeigt folgende Tabelle:
Hinweis
Es werden bei der Bestimmung des Prozentsatzes nur Kinder berücksichtigt, für die der Steuerpflichtige einen Anspruch auf Kinderfreibeträge oder Kindergeld hat. Kinder, die sich in einer Ausbildung bzw. einem Studium befinden, werden regelmäßig noch bis zum 25. Geburtstag steuerlich anerkannt.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 19.01.2017 entgegen der bis dahin gängigen Verwaltungspraxis entschieden, dass die Ermittlung der zumutbaren Belastung in drei Stufen abhängig vom Gesamtbetrag der Einkünfte zu ermitteln ist.
Zuvor wurde die zumutbare Belastung bei Überschreiten einer dieser Stufen anhand des Prozentsatzes der höheren Stufe berechnet. Die Neuregelung führt insgesamt zu einer niedrigeren abzuziehenden zumutbaren Belastung von den geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen und somit im Ergebnis zu einer niedrigeren Einkommensteuer.
Beispiel 1
Wie sich die zumutbare Belastung nach der neuen stufenweisen Berechnung bei Einkünften von 51.835 € (wie im oben angesprochenen Streitfall vor dem BFH) ergibt, zeigt die Berechnung.
Erste Stufe: 2 % × 15.340 € mit 306,80 €
Zweite Stufe: 3 % × (51.130 € – 15.340 €) mit 1.073,70 €
Dritte Stufe: 4 % × (51.835 € – 51.130 €) mit 28,20 €
insgesamt beträgt die zumutbare Belastung also 1.408,70 €
Bis zum Urteil des BFH berechnete die Verwaltung die zumutbare Belastung mit demjenigen Prozentsatz, in dessen Grenzen der Gesamtbetrag der Einkünfte liegt. Bei Einkünften von 51.835 € – also von über 51.130 € – ergab sich so folgende zumutbare Belastung: 4 % × 51.835 € mit 2.073,40 €
Dieses Beispiel verdeutlicht sehr anschaulich, wie stark sich die Rechtsprechungsänderung des BFH auf die Höhe der zumutbaren Belastung auswirkt.
So sind hier 664,70 € weniger als bei der bisherigen Verwaltungspraxis zu kürzen. Dies führt direkt zu einer Anerkennung höherer Kosten und somit zu einer niedrigeren Steuerlast.
Beispiel 2
Die ledige kinderlose Frau Meier macht Krankheitskosten in Höhe von 5.000 € in ihrer Einkommensteuererklärung geltend.
Ihre Einkünfte betragen insgesamt 58.000 €.
Ihre zumutbare Belastung berechnet sich wie folgt:
Erste Stufe: 5 % × 15.340 € mit 767,00 €
Zweite Stufe: 6 % × (51.130 € – 15.340 €) mit 2.147,40 €
Dritte Stufe: 7 % × (58.000 € – 51.130 €) mit 480,90 €
insgesamt beträgt die zumutbare Belastung also 3.395,30 €
Das Finanzamt sollte die Krankheitskosten um eine zumutbare Belastung von 3.395,30 € auf 1.604,70 € mindern. Bei einem anzunehmenden Grenzsteuersatz von 33 % kann Frau Meier ihre Einkommensteuerlast durch die Krankheitskosten damit um 529,55 € reduzieren.
Hinweis
Einen Online-Rechner zur Berechnung der zumutbaren Belastungen unter Berücksichtigung des BFH-Urteils vom 19.01.2017 finden Sie online beim Bayerischen Landesamt für Steuern unter Steuerberechnung-Zumutbare-Belastung.
Kapitalerträge, die der abgeltenden Besteuerung unterliegen, werden nicht in den Gesamtbetrag der Einkünfte eingerechnet, so dass sie nicht die zumutbare Belastung erhöhen.
Wenn Sie hohe abgeltend besteuerte Kapitalerträge erzielen, können Sie also einen höheren Kostenteil abziehen.
2.3 Krankheitskosten
Als Krankheitskosten abziehen können Sie insbesondere Ausgaben für
• Arzt und Heilpraktiker,
• Krankenhausaufenthalte,
• Arzneimittel, aber auch Reiniger für Kontaktlinsen,
• Brillen, Hörgeräte, Zahnprothesen, Zahnimplantate
sowie
• unumgängliche Fahrtkosten.
Hinweis
Nach der aktuellen Rechtsprechung des BFH können Aufwendungen für eine künstliche Befruchtung dann nicht abgezogen werden, wenn die Behandlung nach inländischen Maßstäben nicht mit dem Embryonenschutzgesetz oder anderen Gesetzen vereinbar ist.
Voraussetzung für den Abzug ist jedoch stets, dass Sie als Steuerpflichtiger durch die Kosten tatsächlich und endgültig belastet sind. Deshalb müssen Erstattungen der Krankenkasse oder der Beihilfe gegengerechnet werden.
Entsprechend können Krankheitskosten, die Sie als Versicherter selbst tragen, um dadurch eine Beitragsrückerstattung zu erhalten, nicht als Sonderausgaben abgezogen werden. Gleiches gilt für Schadenersatzleistungen, die Sie als Geschädigter vom Unfallgegner erhalten.
Hinweis
Erstattungen der Krankenkasse und der Beihilfe müssen übrigens auch dann von den abzugsfähigen Krankheitskosten abgezogen werden, wenn sie erst im Folgejahr geleistet werden.
Beispiel
Herr Müller unterzieht sich einer umfangreichen Zahnbehandlung, für die im Veranlagungsjahr Kosten in Höhe von 8.000 € entstehen. Seine Krankenkasse erstattet ihm im Folgejahr 6.000 €. Herr Müller kann dann nur 2.000 € als außergewöhnliche Belastungen geltend machen.
Leistungen aus einer Krankentagegeldversicherung werden hingegen nicht auf die Krankheitskosten angerechnet, da sie keine enge Verbindung zum entstandenen Aufwand aufweisen.
Anders sieht es wiederum bei Leistungen aus einer Krankenhaustagegeldversicherung aus. Diese müssen von den entstandenen Krankenhauskosten abgezogen werden.
2.3.1 Wie Krankheitskosten nachzuweisen sind
Ein in der Praxis besonders „heißes Eisen“ ist der Nachweis von Krankheitskosten. Denn es genügt nicht, dass Ihnen zwangsläufige und außergewöhnliche Belastungen entstanden sind – in vielen Fällen müssen Sie zudem besondere Nachweise erbringen, damit die Kosten steuerlich anerkannt werden. Als Faustregel gilt dabei: Je lockerer von außen betrachtet der Zusammenhang zwischen den Kosten und der Krankheit ist, desto strenger sind die Nachweispflichten, die das Finanzamt fordert.
Nach aktueller Rechtslage stellen sich die Nachweispflichten wie folgt dar.
1. Übliche medizinische Behandlungen
Kosten für übliche medizinische Behandlungen (z.B. Kariesbehandlung) müssen dem Finanzamt nicht besonders nachgewiesen werden.
2. Kosten für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel
Wer Kosten für Arznei- und Heilmittel abziehen will, muss dem Finanzamt die entsprechende Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers vorlegen. Eine solche Verordnung ist auch erforderlich, wenn etwa Hörgeräte, Brillen oder Prothesen (sog. Hilfsmittel im engeren Sinne) angeschafft werden.
Hinweis
Der BFH hat entschieden, dass die Zwangsläufigkeit der Kosten für eine sogenannte heileurythmische Behandlung lediglich durch die Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers nachgewiesen werden muss, da die Heileurythmie ein Hilfsmittel im engeren Sinne ist. Einen qualifizierten Nachweis hielt das Gericht für nicht erforderlich.
3. Kosten für Besuchsfahrten
Auch Kosten für Besuchsfahrten zu einem für längere Zeit im Krankenhaus liegenden Kind oder Ehegatten können als außergewöhnliche Belastungen angesetzt werden, und zwar mit 0,30 € pro Fahrtkilometer. Für die steuerliche Anerkennung ist es allerdings erforderlich, dass Sie dem Finanzamt eine Bescheinigung des behandelnden Krankenhausarztes vorlegen, wonach die Besuche „zur Heilung oder Linderung einer Krankheit entscheidend beigetragen haben“.
Hinweis
In der Praxis sorgt dieses Nachweiserfordernis für wenig Probleme, da die behandelnden Ärzte eine solche Bescheinigung häufig ausstellen.
4. Besonderer Nachweis für Einzelfälle
Liegt der Zusammenhang zwischen einer Krankheit und bestimmten Kosten für einen Außenstehenden nicht direkt auf der Hand, müssen Sie dem Finanzamt entweder ein vorab ausgestelltes amtsärztliches Gutachten oder eine vorab ausgestellte ärztliche Bescheinigung eines medizinischen Dienstes der Krankenversicherung vorlegen (sog. qualifizierter Nachweis).
Hinweis
„Vorab“ bedeutet dabei, dass das Gutachten bzw. die Bescheinigung vor Beginn der entsprechenden Behandlung bzw. vor Anschaffung des medizinischen Hilfsmittels eingeholt werden muss. Wer erst später einen entsprechenden Nachweis einholt, kann seine Kosten nicht abziehen. Eine frühzeitige Beweisvorsorge ist daher ausdrücklich angeraten.
Ein qualifizierter Nachweis ist in folgenden Fällen zu erbringen:
• Bade- und Heilkuren
• psychotherapeutische Behandlungen
• medizinisch notwendige auswärtige Unterbringung eines Kinds, das an Legasthenie oder einer anderen Behinderung leidet
• Betreuung durch eine Begleitperson
• medizinische Hilfsmittel „im weiteren Sinne“ (z.B. Gesundheitsschuhe, Magnetmatratzen)
• wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethoden (z.B. Frischzellenbehandlungen oder Sauerstofftherapien)
2.3.2 Sonderfall: Berufskrankheiten
Sie sollten stets prüfen, ob Ihre Krankheitskosten möglicherweise als Werbungskosten oder Betriebsausgaben abgezogen werden können. Dies ist bei typischen Berufskrankheiten möglich und bei Krankheiten, die Sie sich nachweislich bei der Berufsausübung „eingefangen“ haben.
Hinweis
Ein Werbungskosten- bzw. Betriebsausgabenabzug ist günstiger als ein Ansatz als außergewöhnliche Belastung, weil keine zumutbare Belastung zum Abzug kommt und die Kosten im Wege eines Verlustvortrags bzw. -rücktrags in andere Veranlagungszeiträume übertragen werden können.
Eine Einordnung als Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben ist allerdings schwer zu erreichen, da häufig kein eindeutiger Zusammenhang zur Berufsausübung nachgewiesen werden kann.
So ist ein Herzinfarkt nach der Rechtsprechung des BFH beispielsweise keine typische Berufskrankheit eines Freiberuflers (auch wenn Freiberufler hier widersprechen mögen). Der BFH erklärte, dass ein Herzinfarkt nicht typischerweise einer bestimmten Berufsgruppe zugeordnet werden kann.
Als Berufskrankheit wurden jedoch anerkannt:
• Gelbsucht eines Arztes
• Impingement-Syndrom einer Berufsgeigerin
• Stimmprobleme einer Lehrerin
• Vergiftungserscheinungen eines Chemikers
• Sportunfall eines Profifußballers
• Staublunge eines Bergmanns
• Strahlenschäden eines Röntgenarztes
2.4 Pflegekosten
Erwachsen Ihnen durch die Pflege einer Person außergewöhnliche Belastungen, können Sie entweder
• die tatsächlichen Pflegekosten als außergewöhnliche Belastungen ansetzen
oder
• einen Pflege-Pauschbetrag von 924 € im Kalenderjahr geltend machen.
Den Pflege-Pauschbetrag können Sie ohne Aufzeichnungen und Belege pauschal abziehen. Er wird vom Finanzamt allerdings nur dann gewährt, wenn
• Sie für die Pflege keine Einnahmen erhalten,
• Sie die Pflege in Ihrer Wohnung oder in der Wohnung des Pflegebedürftigen persönlich durchführen
und
• die zu pflegende Person nicht nur vorübergehend hilflos ist (das heißt länger als sechs Monate).
Auch muss sich die Wohnung des Gepflegten bzw. des Pflegenden nicht zwingend in Deutschland befinden, damit der Pflege-Pauschbetrag zum Abzug kommt.
Im Zuge einer europäischen Öffnung des Gesetzes darf sich die Wohnung nun auch in einem anderen EU-Mitgliedstaat oder einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums befinden.
Hinweis
Wird ein Pflegebedürftiger gleichzeitig oder nacheinander von mehreren Steuerpflichtigen gepflegt, muss der Pauschbetrag unter den begünstigten Pflegepersonen aufgeteilt werden.
Nach dem Gesetz ist eine gepflegte Person hilfsbedürftig, wenn sie für eine Reihe von häufig und regelmäßig wiederkehrenden existentiell notwendigen Verrichtungen, die tagtäglich anfallen – etwa An- und Ausziehen, Körperpflege oder Essen und Trinken –, dauernd fremder Hilfe bedarf.
2.5 Scheidungskosten
Scheidungskosten sind als Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) grundsätzlich vom Abzug ausgeschlossen – es sei denn, der Steuerpflichtige liefe Gefahr, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse nicht mehr im üblichen Rahmen befriedigen zu können.
Hinweis
Genau dies hat der BFH mit einem Urteil Mitte Mai 2017 bestätigt. Unter anderem zur Klärung der diesbezüglichen Auslegung der Begriffe „Existenzgrundlage“ und „lebensnotwendige Bedürfnisse“ und damit der Abzugsfähigkeit sind jedoch noch andere Verfahren vor dem BFH anhängig (Az. VI R 66/14, VI R 81/14 und VI R 19/15).
2.6 Zivilprozesskosten
Ob die Kosten für einen Zivilprozess steuerlich abzugsfähig sind, wurde bislang von Rechtsprechung und Finanzverwaltung unterschiedlich beantwortet.
Der BFH hat in einigen Urteilen in den Jahren 2015 und 2016 Stellung zur Geltendmachung von Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastungen genommen. Danach sind die Kosten eines Zivilprozesses nur noch ausnahmsweise dann abzugsfähig, wenn ein Rechtsstreit einen für den Steuerpflichtigen existentiell wichtigen Bereich oder den Kernbereich menschlichen Lebens berührt.
Hinweis
Mit einem dieser Urteile hat der BFH entschieden, dass Zivilprozesskosten für die Feststellung bzw. Verteidigung der Höhe der Vermögensposition im Erbfall nicht als außergewöhnliche Belastungen steuerlich geltend gemacht werden können.
Bereits zuvor hatte der Gesetzgeber ab dem Jahr 2013 den maßgeblichen § 33 EStG durch das Amtshilferichtlinieumsetzungsgesetz dahingehend angepasst, dass außergewöhnliche Belastungen ausgeschlossen sind, wenn weder die Existenzgrundlage noch lebensnotwendige Bedürfnisse in dem Prozess verteidigt wurden.
2.7 Sanierungskosten
Auch Sanierungskosten können Sie als außergewöhnliche Belastungen abziehen – allerdings wie stets nur dann, wenn sie zwangsläufig und außergewöhnlich sind. Ein Abzug der Kosten ist daher meist nur möglich, wenn konkrete Gesundheitsgefahren abgewendet werden sollen.
Nach der Rechtsprechung können folgende Sanierungsmaßnahmen anerkannt werden:
• Sanierung eines geruchsbelasteten Gebäudes
• Abschirmung einer Wohnung aufgrund erhöhter Mobilfunkstrahlung (Elektrosmog)
• Sanierung infolge einer Asbestbelastung
• Sanierung infolge von Befall mit echtem Hausschwamm (holzzerstörender Pilz)
• Baumfällarbeiten auf dem eigenen Grundstück infolge einer Pollenallergie
Den Fall einer Asbestsanierung hat der BFH untersucht und die folgenden Voraussetzungen formuliert, die für einen Abzug als außergewöhnliche Belastungen erfüllt sein müssen:
• Die Sanierung muss einen Gegenstand des existenznotwendigen Bedarfs betreffen, wie beispielsweise die eigengenutzte Wohnung.
• Von diesem Gegenstand müssen konkrete Gesundheitsgefährdungen ausgehen.
• Den Grundstückseigentümer darf kein Verschulden an der Belastung (mit Asbest) treffen
.• Die Belastung darf im Zeitpunkt des Grundstückserwerbs noch nicht erkennbar gewesen sein.
• Es dürfen keine realisierbaren Ersatzansprüche gegen Dritte bestehen (z.B. Versicherungen).
• Die Sanierungsmaßnahme darf nicht der Beseitigung von üblichen Baumängeln dienen.
Diese Grundsätze lassen sich auch auf Sanierungskosten infolge anderer Belastungen übertragen.
Hinweis
Wie bei Krankheitskosten, sollten Sie als betroffener Steuerpflichtiger auch bei Sanierungskosten immer nachweisen können, dass Sie sich diesen aus tatsächlichen Gründen nicht entziehen konnten.
Daher sollten Sie vor dem Beginn einer Sanierungsmaßnahme unbedingt entsprechende Gutachten einholen und die Beeinträchtigung ausführlich dokumentieren (z.B. durch Fotos, Aussagen von Freunden und Nachbarn etc.).
Da Sanierungsmaßnahmen häufig sehr kostenintensiv sind, kann deren Komplettabzug im Zahlungsjahr dazu führen, dass sich die Kosten zu einem großen Teil nicht auswirken, da die Sanierungskosten höher als die Einkünfte sind.
Denn außergewöhnliche Belastungen können nicht durch Verlustrücktrag bzw. -vortrag auf andere Jahre verteilt werden.
Laut BFH ist eine steuergünstige Verteilung von Umbaukosten auf mehrere Jahre grundsätzlich nicht mehr zugelassen. Eine Ausnahme kann es nur geben bei Anhaltspunkten für das Vorliegen von atypischen Besonderheiten, die ausnahmsweise eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen rechtfertigen. Eine solche kann vorliegen, wenn die Umbaukosten so stark unter dem Gebot der sich aus der Situation ergebenden Zwangsläufigkeit stehen, dass die etwaige Erlangung eines Gegenwerts in Anbetracht der Gesamtumstände des Einzelfalls in den Hintergrund tritt.
Hinweis
Wurde Ihnen eine Verteilung hoher Umbau-/Sanierungskosten auf mehrere Jahre vom Finanzamt verwehrt, sollten Sie das Gespräch mit uns suchen. Wir können prüfen, ob in Ihrem Fall eine Klage vor dem Finanzgericht sinnvoll ist.
2.8 Sonstige Kosten
2.8.1 Beerdigungskosten
Können die Kosten für die Beerdigung aus dem Nachlass der verstorbenen Person bestritten werden, sind sie nicht als außergewöhnliche Belastungen abziehbar. Denn dann belasten die Kosten nur das übernommene Vermögen und nicht den Erben selbst als einkommensteuerpflichtige Person. Kein Abzug ist zudem möglich, wenn die Kosten durch Sterbegelder oder entsprechende Versicherungen abgedeckt sind.
Anders ist der Fall gelagert, wenn die Kosten nicht aus dem Nachlass bestritten werden können, der Steuerpflichtige sie aber aus einer sittlichen Verpflichtung heraus selbst trägt. Steuerlich abziehbar sind dann die unmittelbaren Bestattungskosten (einschließlich Überführungskosten), nicht aber die Kosten für Grabpflege, Trauerkleidung und Anreise der Angehörigen zur Trauerfeier.
2.8.2 Umzugskosten
Muss ein Umzug wegen Krankheit erfolgen, können Sie die Umzugskosten als außergewöhnliche Belastungen abziehen. So hat der BFH einen solchen Fall angenommen, wenn eine Familie ihre Wohnung im dritten Stock aufgibt, weil ihr Kind gelähmt ist.
Hinweis
Erfolgt ein Umzug aus anderen privaten Gründen, können Sie die Kosten nicht als außergewöhnliche Belastungen abziehen. Die gezahlten Lohnkosten an den Umzugsunternehmer können Sie dann allerdings als haushaltsnahe Dienstleistungen absetzen.
Wenn Sie aus beruflichen Gründen umziehen, können Sie die Kosten als Werbungskosten oder Betriebsausgaben abziehen.
Weitere Gedanken, Anregungen und Überlegungen zur Unternehmensführung und speziell zur Vermeidung unnötiger Steuerbelastungen finden Sie über unsere Seite "Gedanken".
Beachten Sie bitte den Rechtsstand dieses Textes: Dezember 2019.
Bevor Sie also Handlungen oder Gestaltungen mit steuerlichen Auswirkungen vornehmen, muss zur Sicherheit erst geklärt werden, ob sich die Rahmenbedingungen durch Gesetzgebung oder Rechtsprechung geändert haben.
Zudem geben wir zu bedenken, dass wir in dem vorstehenden Text nur einige unserer Gedanken niedergeschrieben haben, die weder umfassend noch abschließend die Thematik für jeden speziellen Einzelfall besprechen. Ob weitere Vorschriften zu berücksichtigen sind oder es zu Ihrem eigenen Sachverhalt zusätzliche Möglichkeiten gibt, darf nicht pauschal beantwortet werden, sondern sollte unter Berücksichtigung Ihrer Lebenssituation und Ihres Umfeldes genau beleuchtet werden.
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