Kleinunternehmer in der Umsatzsteuer
Bin ich Kleinunternehmer? Ist die Kleinunternehmer-Regelung sinnvoll für mich?
Gedanken am 11.08.2019 von Counselor Ralph J. Schnaars, Steuerberater
Um der Finanzverwaltung Arbeit zu sparen, hat der Gesetzgeber für Umsatzsteuerzwecke die Kleinunternehmerregelung eingeführt. Diese Regelung betrifft Unternehmer mit geringen umsatzsteuerpflichtigen Umsätzen, die dadurch auch Verwaltungs- und Buchhaltungsarbeit sparen.
Nach der Definition im Gesetz ist jemand ein Kleinunternehmer, der folgende Voraussetzungen erfüllt:
Der Jahresumsatz des Vorjahres betrug weniger als 17.500 Euro - (ab 01.01.2020 gelten 22.000 Euro als Grenze).
Der Jahresumsatz des laufenden Jahres wird voraussichtlich weniger als 50.000 Euro betragen.
Wenn diese Grenzen nicht überschritten werden, kann das Unternehmen von der Kleinunternehmer-Regelung Gebrauch machen. Dann sind den Kunden keine Mehrwertsteuern in Rechnung zu stellen und es sind auch keine Umsatzsteuern an das Finanzamt zu zahlen. Auf den Rechnungen des Kleinunternehmers muss zwar der Hinweis auf die Kleinunternehmer-Regelung aufgeführt sein, aber eine Berechnung von Mehrwertsteuer entfällt.
Der „Nachteil“ bei der Kleinunternehmerregelung liegt dann aber im „verlorenen“ Vorsteuerabzug. Sobald das Unternehmen von der Kleinunternehmerregelung Gebrauch macht, verzichtet es im gleichen Zuge auch auf die Geltendmachung des Vorsteuerabzugs.
Sehr verwunderlich ist uns deswegen, die Handlung so mancher Existenzgründer und/oder deren Berater. Oft wird hier die Kleinunternehmer-Regelung angewandt und so auch dem Finanzamt mitgeteilt, weil ja der Jahresumsatz des Gründungsjahres unter 17.500 Euro (ab 01.01.2020 unter 22.000 Euro) und der Jahresumsatz des zweiten Jahres unter 50.000 Euro liegen wird.
Im gleichen Zuge wird aber in Betriebs- und Geschäftsausstattungen oder in Maschinen und Kraftfahrzeuge investiert, um das Unternehmen an den Start zu bringen.
Und ab dem dritten Jahr wird mit einem Gewinn aus dem Unternehmen gerechnet und kalkuliert, der die Lebenshaltungskosten von etwa 1.500 Euro monatlich finanzieren kann.
Bei diesem Beispiel muss man einfach mal rückwärts denken.
Ab dem dritten Jahr sollen 1.500 Euro monatlich, durch Gewinn des Unternehmens, für die Lebenshaltungskosten bereitstehen. Das bedeutet, der Jahresgewinn wird mindestens 18.000 Euro betragen. Nach Adam Riese sind 18.000 Euro mehr als 17.500 Euro. Das heißt, spätestens ab dem dritten Jahr entfällt die Möglichkeit der Kleinunternehmer-Regelung und das Unternehmen muss seine Umsätze in der Umsatzsteuer normal versteuern. Die Kleinunternehmer-Regelung würde also nur für die ersten beiden Jahre gelten.
In diesem Beispiel soll ab dem 01.01.2020 monatlich 1.834 Euro zur Verfügung stehen, so dass auch die neue Grenze von 22.000 Euro überschritten wäre.
Das Unternehmen hätte für die ersten beiden Jahre keine Umsatzsteuer an das Finanzamt abzuführen.
Allerdings hätte das Unternehmen auch keinen Anspruch auf den Vorsteuerabzug.
Das Unternehmen würde also auf sämtliche – in den ersten beiden Jahren – gezahlten Vorsteuern verzichten. Speziell Existenzgründer benötigen in den ersten beiden Jahren des Unternehmens allerdings eine Vielzahl von Betriebsgegenständen oder auch von Gründungskosten oder Ingangsetzungskosten, die meistens mit Vorsteuern zu zahlen sind. So ist in der Rechnung vom Notar oder vom Steuerberater oder von der Telefongesellschaft Mehrwertsteuer enthalten, genauso wie in der Rechnung für die Maschine, für die EDV, für das Kraftfahrzeug oder für das Firmenschild.
Auf die Möglichkeit der Erstattung dieser Vorsteuern verzichtet aber derjenige, der in den ersten beiden Jahren als Kleinunternehmer agiert.
Der Unternehmer oder sein Berater sollte hier genau ermitteln und nachrechnen, ob sich die Nutzung der Kleinunternehmer-Regelung wirklich empfiehlt.
Sobald aber geklärt ist, dass der Jahresumsatz, der für die Kleinunternehmer-Regelung maßgebend ist, auch für eine längere Zeit innerhalb der gesetzlichen Grenzen liegt, kann man Nebeneinkünfte oder umsatzsteuerpflichtige Vorgänge gern unter Anwendung der Kleinunternehmer-Regelung abwickeln.
Der für die Kleinunternehmer-Regelung maßgebende Jahresumsatz, ist die Einnahme, die in der Umsatzsteuer nicht explizit als steuerfreier Umsatz herausgerechnet werden darf.
So sind zum Beispiel die Einnahmen eines Arztes für Allgemeinmedizin (der Hausarzt) von der Umsatzsteuer befreit und werden nicht zum maßgeblichen Umsatz für die Kleinunternehmer-Regelung herangezogen.
Beispiel 1
Die Einnahmen des Hausarztes betragen im Jahr in seiner Praxis 600.000 Euro und zusätzlich hat er „private“ Gegenstände über ebay im Wert von 12.000 Euro verkauft. Die Umsätze aus der ärztlichen Tätigkeit sind umsatzsteuerfrei. Für die Verkäufe über ebay kann der Arzt die Kleinunternehmer-Regelung anwenden, da die „nicht steuerbefreiten“ Umsätze weniger als 17.500 Euro (ab 01.01.2020 weniger als 22.000 Euro) im Jahr betragen haben. Die Umsätze der Arztpraxis bleiben bei der Betrachtung der Umsatzgröße außen vor.
Beispiel 2
Die Einnahmen eines Steuerberaters oder eines Handwerkers betragen im Jahr in seinem Unternehmen 600.000 Euro und zusätzlich hat er „private“ Gegenstände über ebay im Wert von 12.000 Euro verkauft. Die Umsätze aus der Steuerberater-Tätigkeit oder aus handwerklichen Leistungen sind umsatzsteuerpflichtig. Für die Verkäufe über ebay kann der Steuerberater oder der Handwerker deshalb die Kleinunternehmer-Regelung nicht anwenden, da die „nicht steuerbefreiten“ Umsätze insgesamt größer sind als 17.500 Euro (ab dem Jahr 2020 größer als 22.000 Euro) im Jahr. Die Umsätze der Steuerberatungskanzlei oder des Handwerksbetriebs sind in die Betrachtung der Umsatzgröße einzubeziehen.
Beispiel 3
Die Einnahmen des Hausarztes betragen im Jahr in seiner Praxis 600.000 Euro und zusätzlich hat er „private“ Mieteinnahmen, aus der Vermietung von Garagen und Stellplätzen von 16.000 Euro im Jahr und bekommt „privat“ für seine Mitarbeit oder seine Beratung vom ortsansässigen Sportclub oder Golfverein jedes Jahr noch 2.400 Euro. Die Umsätze aus der ärztlichen Tätigkeit sind umsatzsteuerfrei. Für die Vermietung und die Beratungstätigkeit kann der Arzt die Kleinunternehmer-Regelung allerdings nicht mehr anwenden, da die „nicht steuerbefreiten“ Umsätze insgesamt mehr als 17.500 Euro im Jahr betragen haben (ab 2020 gilt auch hier die Grenze von 22.000 Euro). Für die Vermietungseinnahmen und die Einnahmen vom Sportverein sind Umsatzsteuern an das Finanzamt abzuführen.
Diese Beispiele sollen den Umfang der Kleinunternehmer-Regelung nochmals darstellen.
Zu den „steuerbefreiten“ Einnahmen, die nicht zur Umsatzgröße für die Kleinunternehmer-Regelung zählen, gehören unter anderem
- Umsätze von Versicherungsvertretern und Versicherungsmaklern
- Umsätze aus der Vermietung von Immobilien, die Wohnzwecken dienen, ausgenommen Hotels und ähnliches
- Umsätze in der Humanmedizin durch Ärzte, Zahnärzte, Heilpraktiker, Physiotherapeuten oder Hebammen, die für Heilbehandlungen erzielt werden
- Umsätze von Krankenhäusern
- Umsätze von Pflegeeinrichtung
- Umsätze der Schulen, die auf einen Beruf vorbereiten
- Umsätze aus Leistungen zur Verhütung nosokomialer Infektionen
- und unzählige weitere – in Paragraph 4 des Umsatzsteuergesetzes aufgeführte – Vorgänge, die hier jetzt nicht einzeln aufgezählt werden müssen.
Ob ein gewerblich tätiger Unternehmer, der keine umsatzsteuerbefreiten Leistungen erbringt, von der Kleinunternehmer-Regelung Gebrauch machen sollte, muss sehr genau überlegt werden.
Sofern die Einnahmen aus der (gewerblichen) Vermietung oder der sonstigen Nebentätigkeit oder dem Verkauf von Waren über ebay oder ähnlichen Plattformen, insgesamt pro Jahr nicht mehr als 17.500 (ab 01.01.2020 22.000) Euro betragen, kann es allerdings sogar sinnvoll sein, die Kleinunternehmer-Regelung anzuwenden, da der Verkaufspreis für den Kunden dann auch um 19 Prozent geringer ausfallen darf.
In diesem Zusammenhang ist auch unser Beitrag
"Wieviel Mehrwertsteuer soll ich berechnen - 7 oder 19 Prozent" interessant.
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